Wieder und wieder lösche ich die ersten Zeilen dieses Beitrages. Nichts stellt mich so richtig zufrieden und ich merke, wie unheimlich schwer es ist, dieses Land und seine Kultur in Worte zu fassen.

Und trotzdem, oder genau deswegen, möchte ich über unsere Zeit in Indien schreiben.

Das Erlebte lässt sich nicht so einfach beschreiben. Das merke ich mit jeder WhatsApp Nachricht, in der die Frage gestellt wird “Wie ist Indien?”. Gibts es überhaupt Worte, die all dem was wir erleben, gerecht werden? Ich weiß es nicht aber ich werde versuchen, ein paar Worte dafür zu finden.

Jede Erfahrung ist vielschichtig und intensiv. Während wir durch Indien reisen, kommt es oft genug vor, dass wir uns einfach nur angrinsen und lachen oder ungläubig mit dem Kopf schütteln.  Unsere Gefühle fahren Achterbahn – soviel ist sicher.

Etwas, was Neu für uns ist

Zugegeben, vor Indien waren wir seit langem mal wieder richtig aufgeregt vor der Einreise. Wir hatten über Indien gelesen und gehört aber immer wieder begegneten wir Sätzen, wie “Indien muss man erleben”, oder “Entweder man liebt oder hasst Indien. Ein Dazwischen gibt es nicht.”

Obwohl wir also viel recherchiert hatten, wussten wir trotzdem nicht, was auf uns zukommen würde. Irgendwann ließen wir all die Recherche einfach ruhen und beschlossen, uns unser eigenes Bild zu machen und es einfach auf uns zukommen zu lassen.  Das war rückblickend eine gute Entscheidung.

Kaum in Indien angekommen, wussten wir, dass dieses Land eine völlig neue Reiseerfahrung für uns bereit hält. Es war laut, stickig und wuselig, was hat sich im Laufe unserer Reise auch nicht wirklich geändert hat.

Etwas was uns den Einstieg womöglich ein wenig erleichterte, war der Fakt, dass wir bereits ein paar Monate in Asien unterwegs und an sehr einfache Lebensumstände gewöhnt waren. Doch Indien war trotzdem nochmal eine andere Hausnummer und nichts hätte uns so richtig darauf vorbereiten können.

Menschen, Smog & Dauerhupen

Wir haben ständig das Gefühl, wir stehen im Weg und kommen uns des öfteren vor wie auf einem Festival. Indien ist China derzeit ganz dicht auf den Fersen, was den Titel des bevölkerungsreichsten Landes der Erde betrifft. Das spüren wir deutlich, denn in Indien leben 1,3 Milliarden Menschen. Wir haben immer das Gefühl, dass egal wo wir sind, es viel zu viele Menschen sind. Wir sind das offensichtlich nicht gewohnt.

Die Luftqualität macht uns außerdem zu schaffen. Oft hängt eine Dunsthaube über der Stadt, die alles in dieses ganz besondere “Indienlicht” taucht. Oder wie Matthias sagen würde: “Der Smog ist eine riesige Softbox.” Genau diesem Fakt hat man es wohl auch zu verdanken, dass die Sonne in Indien irgendwie anders scheint. Macht das Sinn? Keine Ahnung.

Etwas, das uns wirklich quält, ist das Dauerhupen. Auf der Straße laufen, ist eine Herausforderung. Die Augen konzentrieren sich darauf, all die Kuhhaufen zu umgehen und die Ohren sind strapaziert von der konstanten Lautstärke. Egal wie breit und leer die Straße ist, man wird wirklich immer angehupt. Hupen gehört hier scheinbar einfach zum guten Ton vor jeder Kurve, an jeder Kreuzung und überhaupt. Irgendwann haben wir uns angewöhnt, Ohrstöpsel zu tragen. Gute Idee!

Doch wer sind wir, dass wir uns darüber “beschweren”? Ich finde, wir haben nicht das Recht, diese Gewohnheiten zu verurteilen. All das ist unser Empfinden aber wir sind eben auch zu Gast in diesem Land und müssen akzeptieren was ist und uns anpassen. Das gehört für uns genauso dazu, wie den “Dresscode” hier zu akzeptieren. Einfache Rechnung, oder?

Intensives Indien

Dass Indien intensiv ist, hast du bestimmt schon zwischen den Zeilen heraus lesen können. Doch was uns wirklich beschäftigt hat und auch immer noch beschäftigt, ist die bittere Armut. Zu sehen, dass Kinder betteln gehen müssen, anstatt eine Schule besuchen zu können, ist hart. Noch härter ist es, Kinder bzw. Menschen hungern sehen zu müssen. Es ist schwer damit umgehen zu können und es trifft uns. In einer so modernen Welt, wie kann es sein, dass Menschen hungern müssen?

Wieder und wieder stellen wir fest, dass Indien ein Land der Gegensätze ist. Bittere Armut trifft auf Protz und Reichtum. Die Berge des Himalayas treffen auf Traumstrände und Wüsten – all das in einem Land. Ein Land, was riesig ist und seinesgleichen sucht.

Indien wird uns aber auch immer als das Land der herzlichen Menschen in Erinnerung bleiben. Immer wieder sind uns Menschen mit offenen Herzen und freundlichen Lächeln begegnet. Wir hatten so viele positive Begegnungen und Gespräche, die uns immer glücklich und staunend zurück gelassen haben.

Gefühlschaos Indien

Indien war für uns vor allem zu Beginn eine dauerhafte Reizüberflutung. Wir waren erschlagen von all den Eindrücken. Vom Müll, der überall rum liegt, vom Gestank und  den Menschen, die einen vor die Füße spucken. Gewaschen wird sich im Kollektiv auf der Straße, an jeder Straßenecke schlafen Männer und irgendwo dazwischen sind Kühe, Hunde und ein paar Ratten anzutreffen.  Es war ungewohnt für uns und hat uns wachgerüttelt. Woche für Woche sind wir besser damit klar gekommen und irgendwann wurde es “normal”. Wir sind froh, dass wir viel Zeit hatten für Indien, denn besonders zu Beginn haben wir uns gern mal ins Hotelzimmer zurück gezogen und sind dem Chaos für einen Moment entflohen.

All das klingt nicht nach einem tollen Reiseziel aber genau das, dieses Fremde, macht es so reizvoll und interessant für uns. Indien ist laut, Indien ist stickig, Indien ist intensiv. Aber Indien ist auch bunt, freundlich & sehr faszinierend. Uns hat Indien auf den Boden der Tatsachen zurück geholt und uns wiedermal gelehrt, wie dankbar wir sein können. Wie unglaublich privilegiert wir sind, uns aussuchen zu können wie und wo wir leben. Diese Reise ist ein Geschenk und wir sind einfach so dankbar für alles was ist und was war.

Namaste Indien, du warst eine Bereicherung in jeder Hinsicht. Wir werden wiederkommen, auch wenn wir erstmal eine Pause von dir brauchen, um all die Eindrücke verarbeiten zu können.

Stepwell in Jaipur, Indien